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Mit einem Körnchen Salz

Von der Vendee nach Anjou


Jürgen wurde gestern richtig lyrisch in seinem Blog. Er findet die Fahrt toll, und dass manche ihre persönlichen Leiden betonen und dass Chatteilnehmer uns bedauern, ärgert ihn, und deshalb hat er gestern eine Hymne geschrieben – übrigens nachdem die Gruppe drei Bier und zwei Flaschen Wein vertilgt hatte.


Natürlich hat er recht. Ich bin bei dieser Tour dabei, weil es mir gefällt und weil ich das will. Und ich bin Jürgen dankbar, dass er mich gefragt hat, ob ich mitkomme.

Aber irgendwie ist es auch meine Aufgabe, den Tropfen Bitterkeit zuzufügen, der zum Leben gehört. Auch im griechischen Theater kam nach der Tragöde die Satire. 


Wir sind heute in der Vendée gestartet, einer Gegend, die die meisten Leute nur als Küste kennen. Die Vendée hatte es oft schwer. In der französischen Revolution stellten sich die Bauern auf die Seite der Priester und des Königs und brachten einige Nationalgardisten um. Die Revolutionäre waren noch nie für ihre Zimperlichkeit im Umgang mit Konterrevolutionären bekannt und brachten Tausende um. Beide Seiten verübten ihre Grausamkeiten mit erstaunlicher Unbeholfenheit, aber wilder Entschlossenheit. Wikipedia spricht von einem Genozid.


Es ist eine grüne Landschaft mit sanften  Wellen, aber immer rauf und runter, lieblich anzusehen und ohne Gegenwind gut befahrbar. Unsere Hügel waren sanft, kein einziger sehr hoch. Wir sind 106 km weit gefahren und haben dabei 650 Höhenmeter zurückgelegt. Alles gut machbar, aber trotzdem habe ich festgestellt, dass es, wenn ich runterschalten wollte, gar keinen Gang mehr gab, weil ich schon ganz unter war. Und kein Rückenwind schiebt uns hoch. Insgesamt: Es ist toll, aber anstrengend, und jeder leidet für sich alleine. 

Die Straßen waren klein und ruhig, aber manchmal auch stark befahren und laut oder gar unbefestigte Singletrails. 


Es gab schon Etappen, wo ich mehr an meinen Leistungsgrenzen war. Aber nicht alles  macht Spaß, und zu Höhen gehören auch Tiefen. Gestern habe ich gar keine Schwalben gesehen, die sonst dem Hobby-Meteorologen immer sagen, wie das Wetter wird. Fliegen sie hoch, weil die Fliegen auf Grund des hohen Luftdrucks weit oben fliegen, wird es gut. Gestern sind die Schwalben zu Hause geblieben, vermutlich weil sie in der Wetterapp gelesen haben, dass es regnen könnte - hat es dann nur ein bisschen -, und vielleicht haben sie in Erwartung der Kälte die Sauna in ihrem Nest eingeheizt. Die Fliegen jedenfalls flogen auf Kinnhöhe und als Mundatmer habe ich eine Menge geschluckt. Ich sehe meine Blogaufgabe auch darin, von den Unbilden zu berichten, die wir erleiden.


Wir sind dann in Angers angekommen und haben eine Wohnung direkt neben der Kathedrale bezogen. Und weil wir erst nach 19:00h rausgingen, gab es auch nix mehr zum Einkaufen. Lästig, aber kein Weltuntergang. Der findet im Schloss von Angers auf einem Teppich statt, nämlich dem Teppich der Apokalypse. 


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Kommentare: 5
  • #1

    Henning (Dienstag, 15 Mai 2018 08:43)

    Danke für die Stimmungsmischung und die tollen Fotos. Sitzt da nicht ne Schwalbe auf der Leitung, ganz auf analog besinnlich?

  • #2

    Helge (Dienstag, 15 Mai 2018 09:16)

    Kein einkaufen, aber fliegen zum futtern...gibt nix zu meckern..
    Angers is toll und ihr werdet schon was zu beissen gefunden haben...geht ja nich, dass werner abgemagert zurückkommt...aber fliegen gibts heute bestimmt wieder reichlich...dafür bei heide dann vielleicht couscous...ahoi

  • #3

    Biggie (Dienstag, 15 Mai 2018 20:05)

    Wie schon oft erwähnt, eure Reisebeschreibung ist spannender als Kino. Ich kann mir so richtig vorstellen, wie der arme Mundatmer jede Menge Fliegen verschluckt hat.
    Meine erste Aktion des Tages ist, den Reiseblog Casablanca aufzurufen, während die Kaffeemaschine läuft. Was mach ich nur , wenn es keinen Reiseblog mehr gibt?
    Ehrlich gesagt, ist mir die Rückkehr der heldenhaften Geriatricer dann doch lieber.
    Ihr seid ein phantastisches Team.......und in jede gute Suppe gehört mindestens 1 Körnchen Salz

  • #4

    Peter (Dienstag, 15 Mai 2018 21:49)

    Hallo Jürgen, auf dem Bild ist echt gut zu erkennen wie Schauma auf dich wirkt, genial, und erst die lieblichen Söckchen dazu, perfekt! Also wirklich, wenn ihr zusammen nicht als Zitronenfalter durchgeht, kann ich die Welt nicht mehr verstehen. PS: Hab mir heute ein neues Pedelec ausgesucht, könnte euch auf dieser Tour aber niemals das Wasser reichen, spätestens, wenn das Kabel zu kurz ist, wäre Schluss mit lustig. Also immer weiter strampeln, es ist ja nicht mehr so weit, oder plant ihr schon eine Auslaufrunde übers Nordkap?

  • #5

    Jürgen (Mittwoch, 16 Mai 2018 00:29)

    @Peter; schauma ist seit zwei wochen aus, die geile frisur gründet auf dem umstand, dass die haare 5 wochen weder kamm noch bürste gesehen haben, das führt (auch ohne fön) zu fönfrisuren,
    @Die Männer vom Team hoffen natürlich auch auf baldige Rückkehr, hoffen darauf von Ihren Frauen als Helden empfangen zu werden. Ob es so kommt, wer weis und ist wahrscheinich Fallabhängig.
    @Helge: hat für zwei kurze Nächte Ihren Helden bei sich, mal sehen was sie morgen berichtet,